Vor etwa einem Monat war endlich die Gelegenheit, den Gutschein einzulösen, den ich zu meinem runden Geburtstag von meiner besten Hälfte bekommen habe: Ich bekam eine Heißluft-Ballonfahrt geschenkt! Der Termin war eigentlich für einen Samstag ausgemacht, doch war das Wetter zu instabil – typisch fürs Waldviertel eben. Zunächst war der Termin auf unbestimmte Zeit verschoben, doch schon am Tag danach kam zu Mittag der überraschende Anruf, ob wir denn nicht heute Zeit dafür hätten.
Der Treffpunkt war für 16 Uhr auf der Ballonfahrerwiese in Groß Siegharts vereinbart, doch hat es während der Hinfahrt leider geregnet, und auch am Ort des Geschehens bedrohten uns dicke graue Wolken. Nach und nach trafen weitere Interessenten ein, die sehr gerne an diesem Tag in die Luft gehen wollten. Die Piloten des 1. Waldviertler Ballonfahrerclubs räumten allerdings die Zweifel am Wetter bald beiseite, weil sie die Anhänger aus der Garage schoben und damit begannen, die Brenn-Vorrichtungen an den Körben zu montieren. Tatsächlich lichtete sich allmählich das Grau des Himmels.
Ein Luftballon wurde mit Gas gefüllt und fliegen gelassen, um die Windverhältnisse anzuzeigen, und tatsächlich, seine Flugrichtung ließ erkennen, dass es geradewegs nach oben gehen würde! Während sich der Himmel weiter lichtete, wurden die Anhänger auf die große Wiese gefahren, die Körbe abgeladen und die Ballonhüllen ausgerollt. Offensichtlich würde es heute drei solcher Gefährte geben. Es war aufregend, als die Ballons zuerst anhand eines motorisierten Ventilators von der Seite mit kalter Luft aufgeblasen wurden. Es zeigte sich bald, wie riesig diese Dinger eigentlich werden würden! Die Fahrgäste dieses Tages wurden bei den Aufbauarbeiten natürlich als helfende Hände herangezogen; ich hatte dabei meine Schwierigkeiten, schließlich wollte ich primär das Geschehen mit meiner Spiegelreflexkamera dokumentieren. Unser Pilot und „Chauffeur“ war Andreas.
Sobald die noch liegenden Ballons eine halbwegs pralle Form erhalten hatten, kam heiße Luft ins Spiel: Von den ebenfalls auf der Seite liegenden Körben aus wurde kräftig in die Öffnung hineingeheizt. Der Brennvorgang hört sich nicht gerade wie ein Vogelgezwitscher an, und obwohl es eigentlich nicht überraschend sein dürfte, war die Hitze auch intensiv zu spüren. Beim Offenhalten der Ballonöffnung musste man also das Gesicht abwenden. Nach kurzer Zeit richtete sich schon der erste Ballon in vollem Volumen auf.
Noch mussten die Gefährte am Boden gehalten werden, um den Passagieren den Zustieg zu ermöglichen und das Luftfahrzeug ordentlich auszurichten. Unser Ballon war der dritte im Bunde, und die anderen beiden hoben bereits ab. Wir warteten noch etwas zu und gaben dem Brenner ordentlich Gas, da wir am Fuße eines Abhangs positioniert waren, auf dem ein Einfamilienhaus stand. Um uns nicht zu gefährden, wollte unser Pilot also ordentlich beschleunigen. Endlich – es war kurz nach 17 Uhr – gab es das Signal zum Start, und wir trieben hoch!
Wegen des guten Auftriebs erreichten wir auch relativ bald eine ansehnliche Höhe. Wir konnten ganz Groß Siegharts unter uns sehen, und die Zuseher am Startplatz waren bereits zu Ameisen geschrumpft. Die Fahrtrichtung eines Ballons – Ballons fliegen ja nicht, sie fahren – kann nur durch geschicktes Auswählen unterschiedlicher Strömungen in unterschiedlichen Luftschichten rudimentär gesteuert werden. In erster Linie ist es also ein Auf und Ab. Beim Wechsel in eine andere Strömung ist für kurze Zeit die leichte Brise zu spüren, bis der Ballon mitbeschleunigt hat und es deshalb wieder windstill wird.
Die Vermutung, dass eine Ballonfahrt ein stilles Naturerlebnis sei, wird durch die häufigen Feuerungen widerlegt – Sie sind ein ständiger Begleiter und schrecken in niedrigeren Lagen immer wieder Rehe und Hasen auf. (Sogar Fasane waren zu beobachten, dabei dachte ich, die gäbe es nur im Weinviertel.) Und wer wie ich nicht gerade mit voluminöser Frisur prahlen kann, spürt die Hitze der Flammen doch recht deutlich an seinem Haupt. Bald jedoch hat man sich daran gewöhnt und genießt das Panorama in vollen Zügen. Der Griff an den Rand des Korbs wird umso fester, je senkrechter man nach unten blickt.
Interessant war, dass die anderen beiden Ballons offenbar eine andere Strömung erwischt hatten als wir, denn bald konnten wir sie nur mehr aus der Ferne beobachten. Beide dürften sogar in die exakt gleiche Strömung geraten sein, da sie es sogar zu einem „himmlischen Rendezvous“ schafften, welches wir per Funk belauschen konnten. Ansonsten ergötzten wir uns natürlich am prachtvollen Ausblick. Einmal mehr wurde klar, dass es die strenge Nord-Süd-Ausrichtung der Landkarten in der Realität garnicht gibt. Zwischen Wald und Feldern waren immer wieder Dörfer und kleine Städte auszumachen, völlig gleichberechtigt und unabhängig davon, ob sie jetzt bekanntere Namen wie Raabs an der Thaya trugen, oder unbekanntere wie Liebenberg oder Diemschlag. Sie waren durch Straßen verbunden, auf denen wir schon bald unsere Verfolger-Fahrzeuge ausmachen konnten, die dafür sorgen würden, uns vom nicht vorherzusehenden Landeplatz abzuholen. Dank GPS ist die Navigation heutzutage aber schon deutlich einfacher geworden.
Mittlerweile war der Himmel natürlich völlig wolkenlos, die tiefstehende Sonne tauchte die Landschaft in fotogenes, warmes Licht und zeichnete ihre Konturen nach. Besonders hat es mir der Schatten unseres Ballons angetan, der uns in einigem Abstand begleitete und direkt über Häuser, Straßen, Felder und Bäume strich. Als fotografischen Tipp kann ich weitergeben, möglichst keine besondere Ausrüstung mitzunehmen, da der Platz im Korb sehr beschränkt ist. Desweiteren darf die Belichtungszeit nicht allzu lange werden, da trotz der langsamen Bewegung des Ballons durch die milde Abendsonne schon Bewegungsunschärfen entstehen können. Ich habe die Lichtempfindlichkeit etwas naiv auf ISO 100 fixiert, was anfangs noch genug war, aber später durch die stets gut geschlossene Blende manchmal in lange 1/20 Sekunden resultierte. Ich empfand keinen Drang nach langer Brennweite, die Obergrenze von (KB-äquivalenten) 88 mm meines Standardzooms haben mir genügt. Landschaft und Balloninsassen lassen sich m.E. durch einen Weitwinkelblick besser ins Bild setzen.
Während uns die Winde zunächst nach Nordosten und dann nach Osten getrieben hatten, drehte sich unsere Fahrtrichtung nun allmählich um, sodass wir uns langsam wieder unserem Ausgangspunkt Groß Siegharts näherten – umlaufende Winde also. Bei Fistritz stellte sich dann heraus, dass wir einen ungewöhnlichen Glücksfall erleben durften: Wir wurden über einen idyllischen Teich getrieben, dessen Eigentümer niemand geringerer als der Hauptsponsor des Ballonfahrerclubs war, der noch dazu gerade an diesem kleinen Anwesen verweilte. Andreas meinte, dass es ihnen noch nie gelungen sei, direkt über diesen Teich zu fahren. Vom Korb aus konnten wir kräftige Karpfen im Wasser ausmachen. Ich versuchte das Ereignis gebührlich im Bilde festzuhalten.
Dann erschrak ich regelrecht, als ich das Spiegelbild unseres Ballons unter uns im Wasser erblickte! Als ob es so überraschend wäre, dass man sich in einer Wasseroberfläche spiegeln konnte. Der Anblick war tatsächlich so surreal, wie die Fotos es vermuten lassen. Das kreisrunde, farbige UFO wirkte angesichts der kleinen Insel im Teich unter uns völlig deplatziert, wie mitten hingeklebt. Ein wahrlich selten faszinierender Anblick!
Wir glaubten es nicht, doch waren wir schon fast eineinhalb Stunden unterwegs, und da sich die Sonne dem Horizont immer weiter näherte, war es an der Zeit, einen Landeplatz zu suchen. Wir trieben bereits an den Ortsrand von Fistritz, und unser Pilot Andreas fasste eine Wiese gleich neben den ersten Häusern ins Auge. Ein letztes Mal strich unser Schatten über Bäume, während wir unsere Höhenlage stetig reduzierten. Ich selbst hatte eigentlich den Eindruck, dass wir zu schnell wären, um diese Wiese noch zu erreichen, doch kamen wir ihr tatsächlich immer näher. Andreas wollte gleich neben der Straße landen, um den Abbau und Abtransport des Ballons nicht unnötig zu erschweren.
Ich steckte meine Kamera schützend unter die Jacke, und wir gingen leicht in die Knie, um die Landung abzufedern. Wir setzten das erste Mal am Feld neben der Straße auf, welches etwa einen Meter höher lag als die Straße selbst. Wir hoben gleich wieder ab und setzten direkt auf der Straße nochmal auf, und machten einen zweiten Hüpfer daneben in die Wiese, wo wir dann fertig gebremst hatten und etwas schief, aber stabil stehenblieben. Wir waren heil gelandet! Wir durften allerdings den Korb noch nicht verlassen, weil wir auf die Hilfe der Verfolger angewiesen waren, die Andreas per Funk zu uns lotste.
Nach kurzer Zeit erreichte das Fahrzeug schon den Landeort, und unsere voluminöse Erscheinung und deutlich hörbaren Feuerungen hatten auch ein paar Anrainer angelockt. Wir nutzten den Auftrieb des Ballons, um den Korb auf den Anhänger zu hieven, danach begann auch schon der Abbau. Der Ballon wurde auf die Seite gezogen und die Luft aus ihm hinausgedrückt, indem er vom Korb aus wieder zusammengeschnürt wurde. Schließlich verstauten wir ihn im Transportsack und hoben alles auf den Anhänger, wo auch schon die Brennvorrichtungen vom Korb abmontiert wurden. Nun ging’s zurück zur Ballonfahrerwiese in Groß Siegharts, wo auch schon die anderen Teilnehmer eintrafen. Das Ereignis war nämlich noch nicht ganz vorbei.
Jetzt, nach unserer Premiere als Ballonfahrer, stand das traditionelle Ritual der Ballonfahrertaufe am Programm, bei der auch die jeweiligen adeligen Ballonfahrertitel verliehen wurden. Der Ritus schreibt vor, dass ein paar Haare des zu Taufenden mit Feuer anzusengen und mit Sekt abzulöschen sind. Meine nicht sehr üppige Haarpracht bereitete den Ausführenden der Zeremonie mehr Schwierigkeiten als Doris’ Mähne. Ab sofort sind wir also mit anderen Ballonfahrern per Du; ich stelle mich ihnen dann vor als Graf Stephan, fotografierender Luftikus von den umlaufenden Winden zu Fistritz, und meine beste Hälfte ist Gräfin Doris, erst zaghaft, dann begeisterte Aeronautin zu Fistritz. Wir gaben ein Gelöbnis ab, in welchem wir uns dazu verpflichteten, bei Bedarf „stücklweis’ als Ballast zu dienen“, und bekamen eine Urkunde überreicht. Ab nun dürfen wir auch zur Kasse gebeten werden, wenn wir versehentlich davon sprechen, mit dem Ballon zu fliegen. Bei anschließendem Sekt und Geplauder gab sich genug Gelegenheit, den neuen Adelstitel zu verinnerlichen, indem man sich dem Gegenüber entsprechend vorstellt. Gegen 19:30 Uhr nahmen schließlich die Teilnehmer langsam Abschied und bedankten sich bei den Piloten für dieses wunderbare Erlebnis.
Ich muss mich auch sehr bei Doris bedanken, die mir dieses Ereignis ermöglicht hat. Wer weiß, vielleicht gehen wir ja wieder einmal in die Luft?